Erklärung des Kirchenvorstandes

Pieta 1953_54 (5)Verlesen im Gottesdienst am Volkstrauertag (13.11.2016)

Anlässlich von 70 Jahren Kriegsende hat der Kirchenvorstand der Katharinen-gemeinde sich in den Jahren 2015 und 2016 eingehend mit Fragen eines evangelischen Gedenkens an die Kriegstoten der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, insbesondere auch an St. Katharinen befasst. Dieses Thema war ihm u.a. durch eine vor etwa 7 Jahren abgebrochene örtliche Tradition von Gefallenendenkmälern im Kirchenraum aufgegeben. Die z.T. glorifizierende nationalprotestantische Ausprägung dieser früheren Denkmäler hat der Kirchenvorstand als geistliche Herausforderung ernstgenommen und um eine rückblickende Klärung und Verarbeitung gerungen. Daraus ist mit Beschluss vom 16.4.2016 folgende Erklärung hervorgegangen, die der Kirchenvorstand den Gemeindegliedern von St. Katharinen und der Öffentlichkeit vorlegt mit der Einladung und Bitte, sie zu bedenken und sich zu eigen zu machen.

Im Rückblick auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und auf den geschichtlichen Weg dorthin ist die Katharinengemeinde traurig ob der Schuld und Verblendung einiger Verantwortungsträger während jener Jahre und zornig über die Last, die sie den nachfolgenden Generationen damit aufgebürdet haben. Manche unserer Vorgänger an diesem Ort haben der damals herrschenden zerstörerischen Welt- und Lebensanschauung freudig zugestimmt. Indem sie darin sogar Gottes Offenbarung sehen und sich damit trösten und aufrichten wollten, haben sie letztlich Christus verworfen und den Glauben an ihn verdorben. Wir wollen uns nicht zu Richtern über sie aufschwingen und maßen uns nicht an, Gottes Urteil vorwegnehmen zu können. Aber von heute aus erkennen wir die schlimmen Folgen dieser geistlichen Verirrungen. Sie führten dazu, dass hier z.T. von gemeindeleitender Stelle an dem großen Unheil mitgewirkt wurde, das durch Diktatur und Krieg über viele Menschen gebracht wurde, auch in Braunschweig. Angesichts des damaligen Unrechtes, das in diesem Zusammenhang auch innerhalb des Gemeindebezirkes von St. Katharinen begangen wurde (z.B. im Haus der Gestapo am Bohlweg 38 und des AOK-Gebäudes Am Fallersleber Tore 3), schwieg unsere Gemeinde. Sie hat nicht ihre Stimme für die Entrechteten und Gequälten erhoben, wie sie es nach Gottes Gebot hätte tun sollen, sondern hat das Unrecht geduldet und gestärkt.

Als Nachfolger der damaligen Verantwortlichen in der Gemeindeleitung nehmen wir heute die historische Last aus jener Zeit an.

Dazu bitten wir Gott um Beistand und Hilfe, dass wir aus den Taten der betreffenden Vorgänger die rechten Schlüsse ziehen und nicht erneut gottlosen und menschenverachtenden Bindungen der Welt verfallen. Wir wollen uns nicht einfangen lassen durch die leeren Ideologien der Mächte unserer Zeit, die das öffentliche Leben, die privaten Beziehungen und die Herzen der Menschen vergiften.

Als geschichtliche Lehre jener dunklen Jahre halten wir an dem Grundsatz fest, dass in ihrem Grund und Ursprung die Kirche als Versammlung der Gläubigen auch eine Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Herkunft mit verschiedenen kulturellen Prägungen und Überzeugungen ist. Wir glauben an die in dieser Gemeinschaft wirksame Kraft des Evangeliums und wollen Zeichen setzen für das Wort von der Versöhnung, das Gott durch Christus unter uns aufgerichtet hat. In diesem Sinne möchten wir daran mitwirken, dass die Katharinengemeinde eine Gemeinde aus den Völkern werde, im Dienst für die Menschen, die hier leben, und zum Segen für unsere Stadt.

Das bedeutet für uns auch die Verpflichtung, sich jeder Menschenverachtung mit friedlichen Mitteln entgegenzustellen, sowie für das friedliche Zusammenleben in der Völker –und Staatengemeinschaft einzutreten.

Braunschweig, im April 2016

Der Kirchenvorstand von St. Katharinen