Musik am Ewigkeits- und Totensonntag

Mit einer besonderen Trostmusik lädt die Braunschweiger Katharinengemeinde am kommenden Ewigkeitssonntag (20.11.) um 10.30 Uhr zu einem Gottesdienst mit Totengedenken in ihre Kirche am Hagenmarkt ein. Unter der Leitung von Kantor Hanno Schiefner wird das „Stabat Mater“ von Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) mit den Solistinnen Merle Groß (Sopran), Julia Fercho (Alt) und einem Streichquartett aufgeführt. Der junge italienische Komponist hat darin kurz vor seinem eigenen Tod ein mittelalterliches Gedicht vertont, dass die Trauer-Empfindungen Marias, der Mutter Jesu, bedenkt. Er hat damit durch ein die Jahrhunderte beliebtes Werk geschaffen. Die Predigt in diesem Abendmahlsgottesdienst hält Katharinenpfarrer Werner Busch. Es besteht die Möglichkeit, im Verlauf des Gottesdienstes für Menschen, die in der zurückliegenden Zeit verstorben sind, eine Kerze zu entzünden. Der Eintritt ist frei.

Die Pieta des Braunschweiger Künstlers Jakob Hoffmann (1876-1955) in St. Katharinen (Braunschweig). Foto: (c) privat.

Reformationstag

Am 31. Oktober lädt die Katharinengemeinde zu „Wort und Musik am Reformationstag“ um 18 Uhr in ihre Kirche am Braunschweiger Hagenmarkt ein.

Musikalisch wird der festliche Abend (mit anschließendem Empfang) von unserem Organisten Hanno Schiefer gestaltet. Katharinenpfarrer Werner Busch wird einen Impulsvortrag zum Thema „Ohne Rechtfertigung leben“ halten.

Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich. Interessierte sind willkommen. 

Klaus Wengst zum 80. Geburtstag

Zu seinem 80. Geburtstag hat Professor Dr. Klaus Wengst in den Gemeindesaal von St. Katharinen in Braunschweig eingeladen. Familie, langjährige Wegbegleiter und Freunde kamen zu einer Andacht in der Kirche zusammen und anschließend wurde in vielen angeregten Gesprächen der Jubilar geehrt. Mit seinem eigenen Rückblick, den wir hier veröffentlichen dürfen, hat der bekannte Neutestamentler die Festgesellschaft an wichtigen Lebensetappen teilhaben lassen. Die Ansprache in der Andacht hielt Pfarrer Werner Busch.

Meine lieben Gäste!

Ich versuche einen Rückblick, indem ich mich an den Jahren meiner Nuller-Geburtstage orientiere.

Prof. Dr. Klaus Wengst, Foto: privat

An das Jahr

1942
habe ich natürlich keine Erinnerungen. Aber doch zwei noch mit dem Krieg zusammenhängende. Eine davon will ich erzählen. Meine Großeltern und meine Mutter sitzen mit mir in der Waschküche im Keller. Der Keller ist in den Dörfern Nordhessens nicht tiefergelegt, sondern ebenerdig. Die Tür zum Garten steht offen und ich sehe viele, viele Flugzeuge. Von den Sorgen und der Angst der Erwachsenen bekomme ich nichts mit. Ich liege bei meiner Mutter im Schoß und fühle mich zutiefst geborgen.

1952,
an meinem zehnten Geburtstag, sagte meine Mutter zu Nachbarn: „Jetzt hätten wir schon einen Pimpf.“ Ich wusste nicht, was ein „Pimpf“ war, nämlich die jüngste Gruppierung der Hitlerjugend. Wie meine Mutter das sagte, klang es eher bedauernd. Da mir das Wort „Pimpf“ jedoch alles andere als attraktiv erschien, teilte ich das Bedauern nicht. Ein „Pimpf“ wollte ich nicht sein. Hier deutete sich ein Punkt an, der dann einige Jahre später zur politischen Distanzierung von meinen Eltern führte.

Mir erschien die 10 als Geburtstagszahl bedeutungsvoll. Ich war in Erwartung des Schulwechsels, der erst 1953 erfolgen würde, weil just zum vorgesehenen Zeitpunkt meiner Einschulung der Beginn des Schuljahrs in Hessen vom Herbst auf das Frühjahr verschoben worden war. Ziel war das Gymnasium in der 7 km entfernten Kleinstadt Homberg. Am ersten Tag der einwöchigen Aufnahmeprüfung war ich – aus der kleinen Dorfschule kommend – total überwältigt von der Masse der Schüler am Gymnasium und dachte: So viel Schlaue! Wie ich mich da wohl einordnen würde?

Am 20. Geburtstag,

1962,
war ich im 3. Semester an der Kirchlichen Hochschule in Bethel. Abends ging ich allein spazieren und dachte: In den nächsten 10 Jahren werden entscheidende Weichen gestellt. Nämlich erstens, mit wem werde ich verheiratet sein? Und zweitens, was wird beruflich aus mir? Das zweite, könnte man denken, wäre eigentlich klar gewesen. Da ich Theologie studierte, würde ich Pfarrer werden wollen. Aber das wollte ich eigentlich nicht. Irgendwann vor dem Abitur hatte mir Freund Rutger einen Abiturientenkalender gezeigt. In ihm waren nötige Qualifikationen für unterschiedliche Berufe verzeichnet. Ich schlug bei „Pfarrer“ nach – und erschrak. Denn an zweiter Stelle las ich: „musikalisch“. Diese Qualifikation hatte ich schlechterdings nicht. Ich blätterte dann weiter und las in einem allgemeineren Teil, wer besonders begabt sei, solle überlegen, weiter zu studieren, um an der Universität Professor zu werden. Da ich noch nie an einem Minderwertigkeitskomplex gelitten habe, dachte ich: Naja, wenn nicht Pfarrer, dann eben Professor. Obwohl ich von Universität noch keinen Hauch von Ahnung hatte.

Zehn Jahre später,

1972,
war die erste Weiche schon längst in eine endgültig entschiedene Richtung gestellt. Im Sommersemester 1964 hatte ich in Tübingen die Frau meines Lebens gefunden und sie hat sich von mir finden lassen. Die inzwischen auch gestellte berufliche Weiche leitete in die gewünschte Richtung: Ich war das vierte Jahr Assistent im Fach Neues Testament; Promotion und Habilitation lagen hinter mir.

Das Wichtige im Jahr 1972 war für uns jedoch die Geburt unseres ersten Kindes, von Urte. Damals blieben Mutter und Kind noch länger im Krankenhaus als heute. Die Neugeborenen lagen in einem großen Zimmer mit einer Scheibe zum Vorraum. Dort konnten sich Väter ihr Kind von einer Schwester zeigen lassen. Ich hatte das Glück, dass Urtes Bettchen direkt an der Scheibe stand. Sie musste nicht gebracht und hochgehoben werden; ich konnte sie einfach so sehen. Und das habe ich ausgiebig getan. Dabei fiel mir immer wieder die Zeile aus dem Weihnachtslied ein: „Und kann mich satt nicht sehen.“

Übrigens: die grundlegenden Familienereignisse fanden bei uns in olympischen Jahren statt: 1964 (Seoul) haben wir uns kennen und lieben gelernt, 1968 (Mexico City) geheiratet, 1972 (München) wurde Urte als erstes Kind geboren, 1976 (Montreal) Johannes als zweites. Und ja – 1980 (Moskau) gab es olympischen Boykott.

1982
waren wir dann in Bochum – einer Stadt, die sich für mich als Glücksfall erwiesen hat. Von ihr singt Herbert Grönemeyer durchaus zutreffend: „Du bist keine Schönheit.“ Aber mit noch größerem Recht und mit Hingabe stellt er dann fest – und ich habe es im Ruhrstadion zigmal mitgesungen: „Du Blume im Revier!“

Beim Beginn an der Ruhr-Universität hatte ich das Gefühl: Mann, welch tolle Möglichkeiten liegen vor Dir! Was kannst Du nicht alles machen?! Im Rückblick schnurrt dieses „Alles“ zu lauter Stückwerk zusammen. Ich sage das nicht resigniert, sondern in der Einsicht, dass anderes als Stückwerk auch nicht drin ist. Es reicht, meine ich, wenn es gelungen ist, das Stückwerk gerne und einigermaßen gut gemacht zu haben.

Wieder zehn Jahre später,

1992,
lag es ein Jahr zurück, dass ich mich für zwei Monate von meiner Familie getrennt und an der Hebräischen Universität in Jerusalem Nachhilfe genommen hatte. Das war für mich der Schub für meine weitere wissenschaftliche Arbeit.

Danach waren wir öfter in Israel. So auch gleich im Sommer 1992. Zuerst eine Woche am Mittelmeer im Kibbuz Nachscholim, halb zufällig gemeinsam mit David Flusser und seiner Frau Hanna. Danach wollten wir eine Woche in Jerusalem sein. Dort jedoch, im Israel-Museum auf einem geriffelten Betonweg, fiel Helga hin und brach sich die Kniescheibe. Also früherer Rückflug mit eingegipstem Bein und Operation in Bochum. Zur selben Zeit bekam ich einen losgelösten Bandscheibenvorfall, der operiert werden musste. So waren wir beide im Krankenhaus, nicht im selben. Dabei haben wir eine richtig gute Erfahrung gemacht. Unsere Kinder – Urte inzwischen 20, Johannes noch nicht ganz 16 – haben den Laden zuhause super hinbekommen und sich rührend um ihre Eltern gekümmert. ejn ra belí tov, heißt es in Israel. „Es gibt nichts Schlimmes ohne Gutes.“

Aus dem Jahr

2002
ist mir vor allem ein im Fernsehen gesehenes Bild in Erinnerung: Nach dem Schlusspfiff im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Südkorea sitzt der deutsche Nationaltorwart Oliver Kahn einsam und niedergeschlagen an den Torpfosten gelehnt auf dem Rasen – und niemand tröstet ihn. Deutschland hatte in diesem Turnier nicht gerade geglänzt und das Endspiel nur mit einigem Dusel erreicht. Aber im Endspiel war die Mannschaft richtig gut und ein ebenbürtiger Gegner für Brasilien. Und dann passiert Kahn das Missgeschick, dass er einen gewiss etwas tückischen, aber doch haltbaren Schuss nicht festhalten kann und den Ball nur abklatscht. Ronaldino ist zur Stelle und macht das Ding rein. Das war spielentscheidend.

Das Bild von dem untröstlichen und ungetrösteten Oliver Kahn hat sich mir wohl auch deshalb so eingeprägt, weil ich es auf einer Großleinwand an einem für mich ungewöhnlichen Ort gesehen habe, nämlich in einem katholischen Veranstaltungshaus in Münster. Es war das Jahr der Vorbereitung auf den 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin. Dafür war in Münster eine Arbeitsgruppensitzung angesetzt, und zwar im Blick auf die Bibeltexte des Ökumenischen Kirchentages. Im Unterschied zu Evangelischen Kirchentagen sollte im Programmheft keine eigene Übersetzung stehen, stattdessen die Übersetzungen der Lutherbibel und der Einheitsübersetzung nebeneinander. So sahen die katholischen Mitglieder nicht ein, weshalb in Arbeitsgruppensitzungen viel Zeit investiert werden sollte. Sie plädierten dafür, diese Sitzung die einzige sein zu lassen und auf ihr lediglich das Erstellen der Arbeitshilfen zu den einzelnen Texten auf die Mitglieder zu verteilen. Und so hatten wir dann Zeit, uns gemeinsam das Endspiel anzusehen, wovon ich vorher dachte, ich müsste darauf verzichten. Ich war noch in einer anderen Gruppe beteiligt, die öfter und intensiv tagte. Mir ist es dabei sehr deutlich geworden, dass wir von unseren je eigenen Traditionen viel stärker bestimmt sind, als es uns normalerweise bewusst ist.

Im Jahr

2012
sind wir in Bochum noch einmal umgezogen – in ein inklusives Mehrgenerationenprojekt mit ca. 180 Menschen. Das war schon in der mehrjährigen Vorbereitung spannend und blieb auch im Vollzug eine gute Erfahrung. Als wir einzogen, dachten wir nicht, dass wir dort nur sechs Jahre wohnen würden.

Und nun haben wir schon

2022
und wohnen bereits über drei Jahre hier und leben auch gerne in Braunschweig.

Noch ein kleiner Anhang. Wer von Euch bei der Feier zu meinem 70. Geburtstag im Gemeindehaus in Bochum-Laer dabei war, erinnert sich vielleicht daran, dass ich mir am Schluss meiner damaligen Rede eine Maxime von Martin Kähler zu eigen gemacht habe. Ich hatte kurz vorher viel von Martin Kähler gelesen, darunter auch einen Band mit autobiographischen Texten. Am Schluss der Rede zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1905 hat er sich für den Rest seines Lebens vorgegeben: „Beten – als ob du heute abberufen würdest; arbeiten – als ob du noch zwanzig Jahre zu leben hättest.“ Daran habe ich mich die letzten zehn Jahre gehalten. Und ich bin damit gut gefahren. Der erste Teil dieser Devise soll auch weiterhin für mich gelten. Den zweiten Teil würde ich jetzt, mit 80 Jahren, als frivol empfinden – selbst mit Augenzwinkern. Und ich muss auch nicht mehr das, was ich mir wissenschaftlich vorgenommen habe, mit eiserner Disziplin auszuführen versuchen. Dass menschliches Leben endlich und verletzlich ist, weiß ich theoretisch schon lange. Aber im letzten Jahr ist es mir auch fühlbar geworden.

Helga und ich lesen schon seit vielen Jahren die Herrnhuter Losungen. Die beiden heutigen Texte habe ich wie für mich ausgesucht empfunden. Die Losung aus den Klageliedern Jeremias: „Die Barmherzigkeit des Herrn hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ Und den Lehrtext aus dem 2. Korintherbrief des Paulus: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“