Ergänzend zur Unterredung „Unglaublicher Jesus“lesen Sie hier einen Kommentar zu einem Artikel in der Zeitschrift „Christ und Gegenwart“. Unter dem Titel „Sich erschüttern und wandeln lassen“ gibt Pater Guido Kreppold eine nachdenkliche Reflexion zu einem der neutestamentlichen Auferstehungstexte. In einer anregenden Mail-Korrespondenz ist Werner Busch darauf hingewiesen und um eine Stellungnahme gebeten worden, was die Brief-Form seines Kommentars erklärt.
Ein Kommentar
Liebe Leserin, lieber Leser,
besten Dank für Ihre E-Mail und den Hinweis auf den Artikel aus Christ in der Gegenwart, den ich gerne gelesen habe. Mindestens teilweise liest er sich wie eine Fortsetzung oder Ergänzung der Überlegungen, die ich am zurückliegenden Dienstag präsentiert habe. Können Sie dieser Einschätzung zustimmen? Die Anfragen, die ich an die Reflexionen des Autors habe, sind deshalb von Sympathie getragen.
Die augustinische Unterscheidung von innerlich/existentiell und äußerlich/unwesentlich/verstellt versucht er konsequent durchzuhalten und als Verständnishilfe für die Auferstehungsbotschaft zu begreifen. Darin hat seine Argumentation durchaus noch eine gewisse Ähnlichkeit mit der existentialen Interpretation der 60er und 70er Jahre bei den evangelischen Neutestamentlern in der Folge von Rudolf Bultmann. Auch wenn mir die Gedankenführung von G. Kreppold streckenweise ein bisschen zu psychologisierend vorkommt (ist vielleicht in bisschen Drewermann dabei? Die Philosophie des Existentialismus ist in den 90ern durch Psychologie/Psychotherapie abgelöst worden, sehr prominent und wirksam eben durch den Paderborner Theologen; die Interpretationsmuster biblischer Texte sind gegenüber der vorausgehenden existentialen Interpretation aber ähnlich geblieben), geht er trotz dieses Ansatzes immerhin nicht den ausgetretenen Irrweg, den man gemeinhin geht. Er sagt nicht, dass die Auferstehung nur eine „Fantasie“ oder Sehnsucht aus den Tiefen der Seele sei (so etwa die Feuerbachsche Kritik, „Projektion“), für das/die man sich Elemente aus hellenistischen Mythen nur entliehen hätte, um die Aussagemittel dafür zu haben. Der Autor unterstreicht vielmehr den Widerfahrnis-Charakter von Erkenntnis. Das finde ich sehr treffend und dem kann ich voll zustimmen. Die Diskreditierung üblicher wissenschaftlicher Erkenntnis würde ich zwar nicht ganz so weit treiben, wie er das passagenweise tut. Ist ihm nicht klar, dass er als Psychotherapeut auch wissenschaftlich eng und fest angebunden ist? Dennoch finde ich folgenden Satz sehr stark: „Dass Menschen unserer Zeit Erfahrungen zuteilwerden, die sie total erschüttern und wandeln, ist dem wissenschaftlich Denkenden unbekannt.“ Gegenüber seinen Reflexionen zur Innerlichkeit bleibt dieser wichtige Aspekt für meine Begriffe trotzdem etwas undeutlich und plakativ und noch zu sehr in psychologisierenden Kategorien verhaftet. Bildlich gesagt: Mit dem Hebel des Widerfahrnisgedankens, den er richtig ansetzt, hebelt er nicht weit genug die üblichen Verstehensansätze der Auferstehungsbotschaft aus. Wenn ich meine Überlegungen vom letzten Dienstag irgendwo sinnvoll ins Gespräch mit Pater Kreppold bringen sollte, dann an dieser Stelle.
Seine Einschätzung über die Schwierigkeit, biblische Texte zu verstehen, finde ich sehr aufmerksam beobachtet und hier möchte ich gerne ansetzen. „Viele tun sich schwer, die existenzielle Bedeutung, das Bewegende, Ergreifende und Erschütternde einer biblischen Erzählung zu erspüren und nachzuempfinden.“ Das ist leider wahr. Das Heilmittel für diesen Mangel sehe ich allerdings nicht in einem mystischen/existentialen/psychologischen Ansatz, so unverzichtbar die inneren Resonanzräume für die Bibel-Lektüre tatsächlich sind und immer sein werden. Der erste Schritt liegt m.E. vielmehr in der Wahrnehmung der besonderen Eigenart der Auferstehungs-Texte, die uns im Neuen Testament vorliegen. Kreppold geht zu schnell nach innen und verweilt nicht aufmerksam genug bei den Texten selbst, finde ich. Liest man sie wieder und wieder, dann lassen sie sich nicht konsequent in ein Interpretationsmuster einbinden, wenn man ihnen und ihrem inhaltlichen Anspruch überhaupt gerecht werden will. Vielleicht besteht gerade darin die besondere literarische Innovation, dass es widerständige, quer liegende Texte sind. Es sind eigentümliche, literarische Ausläufer eines Ereignisses, das im wörtlichen und im übertragenen Sinne „nicht zu fassen“ ist. Wenn man diesen doppelsinnigen Satz über die Auferstehungsbotschaft nicht sagen möchte, nimmt man ihr gerade die Irritations- und Erschütterungskraft. Die Texte sind mit anderen Literaturgattungen und Formen zwar durchaus verwandt und ähnlich, aber in ihrem zentralen Inhalt und Anliegen eben doch originell, pointiert eigen, sehr besonders. Sie sind gewissermaßen der schriftgewordene Spiegel eines Bebens, das eben nicht nur nach innen stattfindet. Sie sind „Reflex“ einer Welt- und Seins-Erschütterung. Nehmen Sie z.B. den Hymnus auf die kosmologische Bedeutung Christi etwa in Kolosser 1,15 ff und ähnliche Texte (1. Korinther 15). Es hat sich nicht allein die Interpretation des Lebens geändert, so wie man eben so oder so auf Dinge schauen kann. Es hat sich etwas ereignet, das die Seinsstruktur des Lebens (Todverfallenheit) genauso betroffen hat wie das Wesen Gottes, des Schöpfers, durch die Kreuz und Auferstehung Jesu verändert, affiziert, betroffen wurde.
Die Worte, die man dafür finden kann, sind immer missverständlich und undeutlich. Entsprechend erregt die Auferstehungsbotschaft unvermeidlich einen Diskurs, einen „Streit um die Wirklichkeit“ (man beachte hierzu zahlreiche Texte in der Apostelgeschichte, die genau das überliefern). Aber in den neutestamentlichen Passagen kommt etwas Authentisches (ich sage bewusst nicht „Historisches“, weil das ein zu begrenzter Gedanken wäre) zum Ausdruck, das sich auch den neuzeitlichen Erkenntnis-Alternativen (selbst wenn sie sich auf Augustin berufen) entzieht und diesen Streit auf produktive Weise offen hält. Die Irritation, die Kreppold ganz richtig ins Gespräch bringt, ist im NT literarisch beobachtbar. Und – hier liegt vielleicht ein Unterschied zwischen ihm und mir – sie ist beim Lesen der Texte auch weiterhin wirksam und muss nicht erst innerlich „nachempfunden“ werden. Kreppold hat zwar den Erschütterungs-Charakter der Auferstehungsbotschaft benannt, daraus aber einen wenig erschütternden Meditations-Text gemacht und den Anstoß, den die sie immer mit sich bringt, an einem wichtigen Punkt durch einseitige Verinnerlichung entschärft. Ob ich ihn richtig verstanden habe?
Auch dies, liebe Leserin, lieber Leser, sind unfertige Gedanken und die Mail ist viel zu lang geworden.
Am Schluss nur kurze, aber herzliche Grüße von
Ihrem Werner Busch